Hans Hinrich Taeger: Astro-Energetik

ZWILLINGE

©Astrodienst AG 2018

Es gibt überhaupt kein klar getrenntes Schwarz und Weiß. Alle Dinge sind von einander abhängig. Dunkelheit ist ein Aspekt des Lichts und Licht ist ein Aspekt der Dunkelheit. So kann man nicht eine Seite verurteilen und alles auf der anderen aufbauen.
Tschögyam Trungpa

Die Energie der Zwillinge beschließt das erste Quartal des Tierkreisjahres, den Frühling, und bereitet den Sommeranfang, der durch das Zeichen Krebs eingeleitet wird, vor. Die drei Frühlingszeichen Widder, Stier und Zwillinge bieten verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Ideen und Gedanken an. Der Widder entwickelt die Ideenzündung, entflammt sich für seinen Einfall und bindet diesen Gedanken an sein kämpferisches, aggressives und männliches Ego. Er ist weder durch Argumente ablenkbar noch durch sachliche Kritik zu beeinflussen, sondern eher im Gegenteil dadurch noch intensiver bestärkt, über alle Widerstände hinaus seine Idee, die er zu einem Ideal hochstilisiert, notfalls auch kriegerisch oder kämpferisch durchzusetzen. Die Idee nimmt von ihm Besitz, erfüllt ihn mit eigentlichem Leben und duldet kein Wenn und Aber. Keine Kontrollinstanzen können ihn kanalisieren. Er ist total parteiisch und ganz Emotion. Sein Gedanke gibt ihm das Gefühl der Überlegenheit. Schon in leichter Kritik sieht er eher einen persönlichen Angriff als eine Hilfe. Durch die Stier-Energie bleiben die Gedanken zwar weiterhin an das Ego angeschlossen, erfahren jedoch eine Abkühlung und Kanalisierung durch ein dem Erdelement innewohnendes Bestreben nach Überprüfung von Ideen an den Kriterien der Umsetzbarkeit in der äußeren, grobstofflichen Wirklichkeit. Gedanken werden hier nicht mehr hitzig und möglicherweise kurzlebig verfochten, sondern beginnen sich zu kristallinen Strukturen zu formen. Sie sind wiederholbar und werden dauerhaft an die individuelle Person gebunden, auch wenn die Flamme der Begeisterung schon längst erloschen ist. Dieses charakteristische Merkmal des Erdelements führt zu Tradition und Konservatismus. Erst in den Zwillingen erhält das Denken eine spielerische und nicht unbedingt mit dem Ego verbundene Dimension. Der Intellekt und die Sprache erfahren eine soziale Komponente. Wissen ist nicht Machtinstrument einzelner privilegierter Individuen, sondern Allgemeingut, das Völker und Kulturen entstehen ließ. Das Zwillinge-Zeichen vereinigt in sich die spontane Begeisterungsfähigkeit des Widders sowie die Sehnsucht nach gleichzeitiger Objektivität und Wirklichkeitsnähe des Stiers in seinem Doppelcharakter des saturnhaften Pollux und des mondhaften Kastor. Es bereitet die tiefe seelische Dimension des nachfolgenden Zeichens Krebs vor, den archaischen, magischen und metaphysischen Bereich. Durch eine unentwegte Erweiterung des Wissens helfen die Zwillinge und ihr Planet Merkur, Unbehagen gegenüber den dunklen Schichten der inneren und äußeren Welt abzubauen. Hierdurch wird angstfreies Erleben, »der Sprung ins Wasser«, vorbereitend ermöglicht.

Die Mythologie beschreibt Kastor und Pollux als Söhne von Leda, die sich in derselben Nacht mit Zeus-Jupiter - dem Schwan - und dem Menschenkönig Tyndareos vereinigte. Dies führte dazu, dass einer der Zwillinge, Pollux, ein Unsterblicher der Götterwelten war und seinem Bruder Kastor ein menschliches Schicksal zuteil wurde. In ihrer Jugend wurden die beiden Brüder von Jupiter und Merkur beschützt und ausgebildet. Obwohl unzertrennlich, hatten sie doch verschiedene Charaktere: der sterbliche Kastor war eher materiell und gefühlsmäßig spontan veranlagt. Er liebte die Veränderung, Zerstreuung, war Schwankungen unterworfen und hatte wenig Ausdauer. Sein unsterblicher Widerpart Pollux galt als selbstbeherrscht, realistisch, kühl, grüblerisch, kritisch und ironisch. Er neigte eher zu einer geistigen und ästhetischen Verarbeitung der Welt. Die Mythologie berichtet weiter, dass Kastor bei dem Kampf um eine Viehherde getötet wurde, worauf Pollux seinen Göttervater Zeus bat, hilfreich einzugreifen. Dieser bot einen Kompromiss an: Beide Brüder könnten sich jeweils einen Tag im Himmel des Olymp und in der Totenwelt des Hades aufhalten. Kastor und Pollux wurden in der Antike wie Unsterbliche verehrt, man brachte sie in Zusammenhang mit Schlangen- und Quellgottheiten. Sie galten als Schutzpatrone der Freundschaften, Schirmherren der Jünglinge, Retter von in Seenot geratenen Menschen und Beschützer von fairen Kampfspielen. Sie wurden auf weißen Rössern reitend dargestellt und als »Retter der Menschen« angerufen.

Die Zwillinge repräsentierten das Prinzip der Bruderliebe in einer platonischen und geistigen Interpretation. Wie es der Sichtweise des Luftelements entspricht, betrachten auch sie die Mitmenschen als gleichberechtigte Partner und nicht als konkurrierende Rivalen. Als sogenannte veränderliche oder soziale Energieform (Labilzeichen) vertreten sie kollektives Verantwortungsbewusstsein und überwinden Widerstände und Widersprüche der Welt durch Herstellen von Verbindungen, Informationsfluss, Kompromissbereitschaft, Diplomatie, schnelles Reaktionsvermögen und neutrale Stellungnahmen. Hierbei kommt ihnen ihre Kontaktbereitschaft und geschickte Formulierungsfähigkeit zu Hilfe. Ihre Wissbe- gierde ist genauso stark wie ihr Verlangen, die gewonnenen Informationen wieder weiterzuleiten. Bösartige Zungen machen hieraus eine Tendenz zur Neugier und Klatschsucht. Die Motivation jedoch - in ihrem positiven Kern - entspringt der Liebe zu jedweder Form von Sein, sei sie nun dunkel oder hell, schön oder hässlich, männlich oder weiblich. Um allen widersprüchlichen Bereichen gerecht zu werden, bemüht sich die Zwillinge-Energie, dermaßen viele und prismenhaft weit gestreute Informationen zu sammeln, dass sie zu umfassenden Beurteilungen, die mehrere Gesichtspunkte in sich vereinen, gelangen kann. In dieser Funktion leisten die Zwillinge Vorarbeit für das Zeichen Waage, wobei sie die Recherchen leisten, das Informationsangebot liefern, welches der Waage dann als Material dient, um zu umsichtigen und Harmonie vermittelnden Beurteilungen zu gelangen. Dieser Prozess wiederum bereitet den befreiten, kollektiv, oder kosmisch orientierten Wassermannmenschen vor. Der Zwillinge-betonte Mensch (also vorwiegend jemand, der Sonne, Mond, Aszendent oder Merkur in diesem Zeichen hat) begreift die Welt als ein Netzwerk von gedanklichen Abläufen. Auf sensible Art und Weise denkt er sich in eine Sache ein, in die sich andere Menschen vielleicht mit ihren Gefühlssensoren hineintasten (Vorgehensweise des Wasserelements). Die Zwillinge arbeiten sich durch intellektuelles Beobachten und gedankliches Nachvollziehen bis zu den Türen der verborgenen Quellen (Bezug der Zwillinge zu den Quell- und Schlangengöttern), der irrationalen Motive jedweden Seins vor. Sie beherrschen nicht die archaische Form der nonverbalen Kommunikation, das mystische Erfassen der Mond-, Neptun- oder Pluto-Ebene, sondern versuchen der Psyche durch logisches oder intuitives Denken auf die Schliche zu kommen. Das Land der Psychologie, die USA, steht unter dem Zeichen Zwillinge.

Der Zwillinge-Typ ist ein Kontaktmensch, der lockere, d.h. freie Beziehungen sucht, deren Basis gleichgeartete Interessen, Austausch von Meinungen und Sichtweisen, sowie das spontane Angehen gemeinsamer Aktionen ist. Zwillinge lieben in Beziehungen eine echte Wechselwirkung, d.h., keiner der Partner darf eine dauerhaft-eindeutig dominierende Stellung einnehmen. Jeder Beteiligte sollte eine individuelle Persönlichkeitsstruktur behalten, jedoch zu offenem Gedankenaustausch bereit sein. Der Zwillinge-Mensch liebt keine Geheimnistuerei unter Freunden, da er hierin einen Vertrauensmissbrauch sieht. Wie es in der Kastor-und-Pollux-Mythologie anklingt, sucht er bei seinen Mitmenschen eher geschwisterliche Liebe als rollenfixierte Partnerschaft. Er möchte innerlich frei bleiben und trotzdem das Gefühl haben, mit vielen Menschen herzlich und kameradschaftlich verbunden zu sein. Er verschenkt sein Herz gerne, doch ohne damit automatisch Copyrights zu erteilen. Gefühle und Leidenschaften besitzen keine lange Dauer; er ist eher gedanklich als gefühlsmäßig von Menschen fasziniert. Sein Wesen entspricht einem schillernden Schmetterling, der unbekümmert von Blüte zu Blüte fliegt und sich analog hierzu aus vielen kleinen Erlebnissen und Begegnungen puzzlehaft ein Bild von der Welt zusammenfügt. Die Denkmechanismen der Zwillinge-Energie gleichen einer nie versiegenden sprudelnden Quelle. Sie sind unentwegt damit beschäftigt, ihren intellektuellen Horizont zu verändern und zu erweitern. Das Wesen der Zwillinge ist nicht zielorientiert, wie die oppositionelle Jupiter-Schütze-Energie, sondern unentwegt offen für neue denkerische Impulse. Da der Zwillinge-Archetyp ähnlich wie Waage und Wassermann widerspruchslos auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu denken vermag, kann hieraus in manchen Fällen nervliche Überbelastung oder Chaos entstehen. Zwillinge-Geborene sollten darauf achten, Ruhepausen in Form von Spaziergängen oder ausreichenden Schlafphasen einzuhalten.

Die Doppelnatur des Zwillings, seine Kastor-und-Pollux- Natur, ermöglicht es ihm, mit sich selbst Zwiesprache zu halten, d.h. sich gleichzeitig als engagiert Handelnder und als anonymer Beobachter seines eigenen Handelns und Denkens zu sehen. Hierin besteht seine größte Entwicklungsmöglichkeit, aber auch gleichzeitig sein größtes Problem. Durch die Fähigkeit, sich von außen beurteilen zu können (eine Begabung, die im Planeten Uranus ihren Höhepunkt findet) besitzt er das Potential, Abstand zu sich selbst zu gewinnen, zu abstrahieren, sich selbst in Frage zu stellen, sein eigener kritischer Freund zu sein, sich emotionsfrei analysieren oder über sich selbst amüsieren zu können. Dass bei diesem Vorgehen die Persönlichkeit nicht auseinanderfällt, symbolisiert die unzertrennliche Bruderliebe von Kastor und Pollux. Natürlich kann es vorübergehende Dissonanzen zwischen den lunaren und saturnalen Anteilen der Persönlichkeit geben, d.h. der Zwilling durchläuft abwechselnd Perioden luftiger Leichtlebigkeit und ernsthaft grüblerischer Infragestellung seiner selbst. Er ist also natürlichen astro-rhythmischen Schwankungen ausgesetzt, wie wir sie auch bei Waage und Wassermann finden können. Gleichmaß und Ausdauer sind nicht Motoren, die das Luftelement, sondern das »gegensätzliche« Erdelement aktivieren. Luftelementsbetonte Menschen entwickeln sich schubweise und nicht kontinuierlich. Zeiten der Lethargie werden von Perioden höchster geistiger Aktivität abgelöst. Wer dieses Naturphänomen positiv begreift und weiß, dass ein Tief immer die Vorbereitung für ein Hoch ist, wird aufhören, sich gegen dieses innere Auf und Ab zu wehren. Er wird mit dem krampfhaften Versuch aufhören, aus einer Tiefphase eine Hochphase zu konstruieren, und damit beginnen, seinen geschwächten Zustand als eine Art Kururlaub zu nutzen, in dem die Erfahrungen der High-Phase verarbeitet und integriert werden können.

Die Zwillinge, Vertreter des Luftelements

Das mediale und neutrale Luftelement versucht die verschiedenen Tierkreisarchetypen in ihrer scheinbaren Gegensätzlichkeit zu entspannen, um dadurch Harmonie herzustellen. Es ist tendenziell darauf ausgerichtet, von Bindungen materieller, gefühlsmäßiger oder geistiger Art zu befreien, und wirkt gegen alle separatistischen Bestrebungen, individuellen Vorrechte und Besonderheitsvorstellungen. Seine Stichworte sind Gleichberechtigung, Brüderlichkeit und Freiheitsliebe. Alle Formen von traditionellen Verhärtungen und Konventionen müssen über Bord geworfen, eingefahrene Denkbahnen aufgelöst, Kompromisse entwickelt und neuartige Wege erdacht werden, um das Sein zu entpolarisieren. Hierzu bedarf es eines revolutionären, intuitiven, kühlen, manchmal auch paradoxen, schnellen und beweglichen Denkens und Handelns.

Dem Luftelement gehören die drei Zeichen Waage, Wassermann und Zwillinge an. Wir finden hier keine tierische, d.h. keine instinktmäßig gebundene Form als Symbol, sondern abstrakte Beschreibungen für ein elementares Prinzip, das offen für neue Entwicklungen und Interpretationen ist. Über das Luftelement mit seinen Planetenherrschern Venus, Uranus und Merkur findet im höheren Sinne die eigentliche Menschwerdung statt: die Loslösung von archetypischen Fixierungen. Dies kann nur durch die Entwicklung von Widerspruchsfreiheit, d.h. Entspannung umgesetzt werden. Alle Formen von einseitigem Verständnis, d.h. von subjektiver Stellungnahme, werden überwunden, indem eine Sache aus verschiedensten Blickwinkeln widerspruchslos gesehen werden kann. Der energetische Charakter des Luftelements besteht entweder darin, alle Betrachtungsweisen gleichberechtigt und ohne emotionale Bevorzugung nebeneinander stehen zu lassen oder auf diplomatische Art und Weise größere Bögen zwischen polaren Möglichkeiten zu ziehen bzw. einen Kurzschluss zwischen Plus- und Minuspolen vorzubereiten. Wir können das Luftelement mit Instanzen wie dem »Roten Kreuz«, der »UNO« oder der »UNESCO« vergleichen, die sich darum bemühen, neutral, vorurteilslos und reaktionsschnell auftretende Spannungen zu entschärfen.

In seiner beweglichen und gasförmigen Natur versucht das Luftelement räumliche und zeitliche Blockierungen des Erdelements zu überwinden und reagibel wie Quecksilber oder ein Gedankenblitz zu wirken. In der materialisierten Welt werden ihm das Nervensystem, die schnellen Medien (bei denen teilweise das Transportmittel ja Luft oder Äther ist), Phänomene der Synchronizität und Telepathie sowie das parallele, d.h. mehrebnige Denken zugeordnet.

Ohne in idealistische Schwelgerei zu verfallen, ist es von dem Wunsch nach mehr Menschlichkeit getragen sowie der Weisheit, dass durch schnellen Informationsaustausch Fehlfixierungen, Verhärtungen, Missverständnisse und alle Formen von energetischen Polarisierungen abgebaut werden können. Mehr als die anderen beiden Luftzeichnungen Waage und Wassermann begreifen sich die Zwillinge als Mensch unter Menschen, eingebunden in ein soziales Kommunikationssystem, als Mittler und Vermittler. Aus dem Verständnis des Luftelements heraus stellt sich seine Zwiespältigkeit als Weisheit dar, seine Doppelnatur als Selbstlosigkeit, seine unterkühlte Art als zwingende Vorbedingung für Neutralität, sein reaktionsschneller Intellekt als Instrument, um Kompromisse schließen zu können, seine Unbeständigkeit als geistige Offenheit, seine bisexuellen Neigungen, um weiblichen und männlichen Anteilen (Sonne und Mond) gleichermaßen gerecht zu werden, sowie sein unkonventioneller Lebensstil als Ausdruck freiheitlichen Denkens.

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Hans Hinrich Taeger:
Astro-Energetik

Hans Hinrich Taegers Buch "Astro-Energetik", erstmals erschienen im Jahr 1982, unternimmt den Versuch, die Bereiche altehrwürdiger Astrologie und des traditionellen buddhistischen Weltbildes unter der neuen Bezeichnung »spirituelle Astro-Energetik« zusammenzuführen.

Hans Hinrich Taeger starb im Jahr 2013, und seine Werke drohten in Vergessenheit zu verschwinden. Thomas Siegfried, sein langjähriger Lebensgefährte und Erbe, hat Astrodienst im Jahr 2017 die Rechte zur Online-Publikation von Taegers Bücher erteilt. Wir haben den Inhalt der zweiten Ausgabe nun für diese Online-Ausgabe aufbereitet und freuen uns, dieses aussergewöhnliche Buch hier der astrologischen Community zur Verfügung stellen zu können.