Hans Hinrich Taeger: Astro-Energetik

MERKUR

©Astrodienst AG 2018

»Ich denke, also bin ich.«

Der Götterbote Merkur mit seinen Attributen:
Schlangenstab (»Caduceus«), geflügelten Füßen, Füllhörnern,
den Symbolen seines vielfältigen, polaritätsüberwindenden Denkens.

Der Planet Merkur oder Hermes (Nabu in Babylon, Thot in Ägypten, Buddha in Indien, Manjushri in China) ist der kleinste, gleichzeitig auch der schnellste und sonnennächste Planet unseres Systems. In nur 88 Tagen umrundet er das Zentralgestirn und dreht sich dabei in 59 Tagen einmal um die eigene Achse. Er ist ein Planet der Extreme: auf seiner sonnenzugewandten Seite herrschen Temperaturen um 425° C und auf der sonnenabgewandten Seite eine Kälte von -170° C. So sind denn auch Zwiespältigkeit und Beweglichkeit charakteristische Attribute des Merkur-Hermes. In der westlichen Mythologie wird er als Sohn des Göttervaters Zeus-Jupiter und der Nymphe Maja beschrieben. Kaum einen Tag alt, erfand er die Lyra, ein betörendes Instrument aus einem Schildkrötenpanzer, einer Rindshaut und 7 Saiten aus Schafsdarm (Schildkröte = Symbol für das Universum / Rindshaut = Symbol für die Erde / 7 Saiten = Symbol für die 7 klassischen Planeten) und betörte damit seinen Bruder, den Sonnengott Apollo, dem er vorher auf listige Art und Weise seine Rinderherde entwendet hatte.

Hermes stahl dermaßen charmant, dass ihm die Götter nichts übelnahmen und Apollo ihm den goldenen Stab des Reichtums übergab (Merkur als Schirmherr des Handels; Merkator = Kaufmann), Macht über 3 Göttinnen der Wahrsage- und Orakelkunst (die »hermetischen Wissenschaften« wie Astrologie, Alchemie, Medizin und Orakeldeutung stehen unter der Schirmherrschaft von »Hermes Trismegistos«), Herrschaft über die Viehzucht (Hermes als Natur- und Hirtengott) sowie das Privileg, die verstorbenen Seelen bis an die Pforten des Hades, die Welt Plutos, des Gottes der Unterwelt, zu geleiten. Neben diesen freiwillig geschenkten Gaben erstahl sich Merkur-Hermes auf geschickte Art das Schwert des Kriegsgottes Mars und den Schamgürtel der Liebesgöttin Venus. Seine Hauptattribute jedoch sind der Schlangenstab (»Caduceus«) und seine geflügelten Reiseschuhe.

In den Kunstwerken der Antike wird er als anmutiger und verschmitzter Jüngling dargestellt, als Götterbote, Mittler zwischen den himmlischen und den menschlichen Welten, Gott des Schlafes und des Traums, der Rede, Schrift und des Erinnerungsvermögens, aber auch als Schutzpatron der Diebe und Zuhälter. Aus diesen scheinbar widersprüchlichen Aufgabenbereichen des Merkur können wir bereits die Hauptfunktion jener planetaren Energie ableiten, die gerade darin besteht, Widersprüche entweder durch Kompromisse (Diplomatie), Austausch von Argumenten (geschickte Anwendung von Wissen, Intellekt, sprachlicher Differenzierung) oder durch List (in positiver Motivation: eine Form von Weisheit) zu überwinden. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, muss Merkur einen unparteiischen, anonymen, beweglichen und emotionsfreien Charakter haben, wie wir ihn im abstrakten, logischen Denken finden. Die merkuriale Form des Denkens ist von der Intention getragen, Harmonie und Ausgleich durch Austausch von Informationen herzustellen. Dieser Vorgang hilft, energetische Blockierungen zu überbrücken.

Die Erweiterung des Wissens (ohne emotionelle Identifizierungen) quasi aus streng neutraler Sicht ermöglicht es, mehr Verständnis und Toleranz zu entwickeln: Numinose Ängste werden abgebaut und letztlich Ergänzungspole wie Seele und Geist, Sonne und Mond, Yin und Yang, männlich und weiblich wissensmäßig einander angenähert und deren Vereinigung vorbereitet. Die mythologische Beschreibung spiegelt diese Eigenschaft oder besser dieses Anliegen Merkurs in seiner Mittlerfunktion zwischen der Welt der Menschen und der lichten Götterwelt des Zeus auf der einen Seite sowie der Unterwelten auf der anderen Seite wider. Er spielt hierbei eine ähnliche Rolle wie die Göttin Venus, die nach der griechischen Überlieferung den Tag mit dem Göttervater Zeus und die Nacht mit dem Höllenfürsten Pluto verbringt. Beide Planeten gehören dem Luftelement an, das eine Vereinigung aller Gegensätze anstrebt. Aus einer Verbindung von Merkur-Hermes und Venus-Aphrodite entstand dann auch der sagenhafte Hermaphrodit, ein zweigeschlechtliches Wesen, das höchste Verehrung von Menschen und Göttern erlangte.

Auf diesem tibetischen Thangka finden wir die Hauptproblematik menschlichen Seins symbolisch dargestellt: die Wünsche nach Überwindung der Polaritäten von Yin und Yang, Seele und Geist, männlich und weiblich, widergespiegelt in den mythologischen Formen vom Garuda (Vogelwesen-Geist-Yang) und den Nagas (Schlangenwesen-Seele-Yin). Auf der linken Seite des Lebensflusses befinden sich zwei nach Erleuchtung strebende Menschen, denen das andere Ufer, die Vollendung, die Buddhaschaft, in erreichbare Nähe gerückt ist. Nur durch Verschmelzung von Yin und Yang, Sonne und Mond, Naga und Garuda kann das gefährliche Wasser durchschifft werden und höchste Verwirklichung entstehen.

Das Merkur-Symbol, der Schlangenstab Caduceus, hat eine tiefe und verborgene Bedeutung. Um einen zentralen Stab, der der menschlichen Wirbelsäule entspricht, winden sich sinusförmig eine schwarze und eine weiße Schlange, deren Köpfe sich am oberen Ende polar, neugierig und sehnsüchtig nach Vereinigung strebend, gegenüberstehen. Es sind die weiblichen und männlichen Kundalini-Energien (auch Sonnen- und Mondenergien genannt), die sich nach der feinstofflichen Anatomie in unsichtbaren Kanälen längs der Wirbelsäule hinaufschlängeln und sich in 7 Hauptzentren oder Chakren vereinen. In der Planetenzuordnung finden wir Merkur zusammen mit Pluto im Sexualchakra. Er ist die planetare Energie, die psychische oder gefühlsmäßige Abläufe analysiert und dadurch eine energetische Wandlung bewirken kann. Das Verstehen seelischer Abläufe kann dazu verhelfen, neurotische oder psychotische Blocks aufzulösen. Diese Möglichkeit macht sich die Psychologie und die Psychoanalyse zunutze (in der astrologischen Sprache: Arbeit des Merkur an der Peripherie des Mond-Bereichs). Merkur ist das Medium, das zu einem Verständnis der gewaltigen sexualmagischen Energien führen kann, er hilft uns die plutonischen Triebkräfte zu begreifen und ein anwendbares Wissen daraus zu ziehen, wie wir es z.B. in der östlichen Tantra-Wissenschaft oder im indischen Kamasutra finden. Der Götterbote Merkur hat hier die Fähigkeit, durch intellektuelles Verarbeiten die Verwandlung der leiderzeugenden plutonischen Energien in die befreiten geistigen Bereiche des Jupiters zu bewirken. Diese Transformation setzt ein großes Potential frei, Basis der spirituellen Weiterentwicklung der Menschheit.

Merkur als Einer und Brückenbauer zwischen der Welt der Sonne und des Mondes.

Ohne auf Details näher einzugehen, zeigt uns das Symbol des Caduceus, dass die Merkur-Energie darum bemüht ist, im Vorfeld späterer Vereinigung der polaren Energien Mittlerdienste zu leisten. Der Verschmelzung von Seele und Geist, Yin und Yang, oben und unten, oder, genauer formuliert, der höchsten Erleuchtung (energetisch gesehen ein Kurzschluss der Sonnen- und Mondenergien) geht eine wissensmäßige Annäherung voraus: Die Polaritäten erklären sich, versuchen, sich in ihren verschiedenartigen Wesen verstandesmäßig zu erfassen. In seiner Mittlerfunktion zwischen Sonne und Mond darf der Verstand (Merkur) weder an das Ego (Sonne) noch an die Seele (Mond) angeschlossen sein. Er muss einen neutralen Status einnehmen - beide Seiten verstehen können. Merkur-Wissen wird dementsprechend 2-dimensional (ohne Gefühlsdimension), wie in einer Bibliothek oder einem Computer, gespeichert oder abgerufen. Fixierungen (Wissen als Machtfaktor) und Emotionalisierungen (z.B. Propaganda) von Wissensdingen beruhen auf Vermischungen der Merkur-Energie mit speziellen Tierkreiskräften oder Verbindungen mit anderen planetaren Energien (Konjunktionen, Quadrate etc.). Merkur selbst, d.h. der kühle Intellekt, ist immer um eine überpersönliche, allgemeingültige Stellungnahme bemüht. Dies führt in der Astrologie dazu, dass enge Konjunktionsverbindungen des Merkur mit der Sonne (verbrannter Merkur) oder mit dem Mond (verwässerter Merkur) als unglücklich gelten.

Verbindungen des Merkur mit Saturn führen zu einem materiebezogenen, analytischen, grüblerischen und systematischen Denken, während Beziehungen zu Uranus in intuitives, spontanes, wirklichkeitsüberspannendes und originelles Denken münden. Da im Wassermannzeitalter die denkerische Dimension, der Austausch von Information, die Expansion von Wissenschaft, die Magie des Intellekts von höchster Bedeutung sind, hat die Stellung des Merkur im individuellen Karmagramm ein großes Gewicht bekommen. Dies führte wohl auch dazu, dass man zu Beginn der neuen Ära den Menschen nach seinem Intelligenzquotienten bewertete, d.h. seine Merkur-Qualitäten testete.

Der allgemeine Ruf nach mehr Menschlichkeit drückt die Sehnsucht nach dem Antipoden Merkurs aus: den Jupiter-Energien des persönlichen, zielgerichteten, idealisierten und geistig dimensionierten »Denk-Handelns«.

Das Merkursymbol leitet sich esoterisch vom Kundalini-System ab, dem Wechselspiel der yinhaften und yanghaften Schlangenenergien, die sich im menschlichen Sein erkennen und vereinen wollen. Im Vorfeld dieser Vereinigung bemüht sich Merkur um eine wissensmäßige Annäherung beider Kontrahenten, wobei er selbst einen neutralen Status bewahrt.

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Current Planets
14-Dec-2025, 07:59 UT/GMT
Sun2234'26"23s14
Moon208' 8"10s41
Mercury32'33"19s10
Venus1658' 8"22s37
Mars2915'34"24s12
Jupiter2326'12"r21n36
Saturn2523'31"3s58
Uranus2831'36"r19n38
Neptune2922'37"1s29
Pluto213'12"23s20
TrueNode130'31"r6s41
Chiron2246'24"r9n21
Explanations of the symbols
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Hans Hinrich Taeger:
Astro-Energetik

Hans Hinrich Taegers Buch "Astro-Energetik", erstmals erschienen im Jahr 1982, unternimmt den Versuch, die Bereiche altehrwürdiger Astrologie und des traditionellen buddhistischen Weltbildes unter der neuen Bezeichnung »spirituelle Astro-Energetik« zusammenzuführen.

Hans Hinrich Taeger starb im Jahr 2013, und seine Werke drohten in Vergessenheit zu verschwinden. Thomas Siegfried, sein langjähriger Lebensgefährte und Erbe, hat Astrodienst im Jahr 2017 die Rechte zur Online-Publikation von Taegers Bücher erteilt. Wir haben den Inhalt der zweiten Ausgabe nun für diese Online-Ausgabe aufbereitet und freuen uns, dieses aussergewöhnliche Buch hier der astrologischen Community zur Verfügung stellen zu können.