Hans Hinrich Taeger: Astro-Energetik

SATURN

©Astrodienst AG 2018

Ich war bereits ein Philosoph, als ich noch in den Windeln lag. Ich war aus Prinzip gegen das Leben.
Henry Miller

Chronos-Saturn, »Herr der Zeit«, »Hüter der Schwelle«, »Hüter des Buches mit den sieben Siegeln«, »Gott des Todes und der Wiedergeburt«, Herrscher über das esoterisch bedeutsame Scheitelchakra, repräsentiert eine wenigstens ebenso geheimnisvolle planetare Energie wie der Mond. Wie bei keinem anderen Planeten ist sein Image durch die Unkenntnis der traditionellen Astrologie auf eine beschämende Art und Weise verzerrt worden. Er ist zum Sündenbock, Leidensverursacher Nr. 1, Personifikation des Bösen (Satan), Verursacher von Krankheit, Tod, Isolation und Beschränkung degradiert worden. Seine Tendenz zur Abkehr von der Welt wurde als lebensfeindlich interpretiert, seine Leidenschaftslosigkeit als Hemmung, seine Härte und Strenge als Tyrannei, seine Gefühlskälte als Bedrohung, seine Beharrlichkeit als Eigensinn. Der jupiterorientierte Mensch des vergangenen Fische-Zeitalters konnte der Saturn-Energie keine positive Seite abgewinnen, denn der Weg über Saturn führt zur karmischen Selbstverantwortung, während das jupitergeartete Weltbild eher das Gefühl vermittelt, durch die Hände einer gewaltigen (meist personifizierten) göttlichen Energie fremdgesteuert zu werden, d.h., man hatte einen Übertragungsmechanismus gefunden, um die saturnalen Forderungen zu umgehen (»Der Mensch denkt, Gott lenkt«).

Das saturnale Weltbild beruht auf der (nicht resignativ gemeinten) Feststellung: Das Leben ist Leid; Leid beruht auf Illusionen und Gefühlen; um von Leid frei zu werden, müssen Gefühle und Illusionen überwunden werden (durch Ursache-Wirkung-Denken); durch Überwindung von Gefühlen und Illusionen entwickeln sich Klarheit und Erleuchtung. Dieser gesamte Ablauf umschreibt eine Reduzierung auf das Wesentliche, das kein »Sowohl-Als-Auch« (Weisheit des Luftelements), sondern ein von der ernsthaften Logik abgeleitetes und emotionsfreies »Entweder-Oder« fordert: eine klare Entscheidung.

Diese Härte und Strenge empfindet das menschliche Naturell nicht als hilfreich oder weise, sondern als angsterzeugende Belastung und unangenehmen Zwang. Doch gerade indem Saturn Zwänge ausübt, ist seine langfristige Intention auf Befreiung ausgerichtet: Loslösung von irdischen Verhaftungen und Verstrickungen, den karmischen Rückbindungen. Saturn ist der Planet der Verwirklichung durch Kristallisation. Seine Symbole sind der »Stein der Weisen« und der »Diamant« als bildhafte Analogien des tantrischen Erleuchtungsweges (Diamantweg). Als esoterisch bedeutsame Energie bewirkt Saturn nicht nur Umsetzung im materiellen Rahmen, sondern vor allem auch auf den feinstofflichen Ebenen. Er bemüht sich um Ursache-Wirkung-Klarheit in den bedeutungsvollen, aber auch täuschenden und undurchsichtigen esoterischen Bereichen, die wir mit Worten wie Tantra, Astrologie oder Okkultismus umschreiben, indem er diese sachlich, konsequent und essentiell wie eine verfeinerte, praxisbezogene Naturwissenschaft behandelt. Er geht diese Thematik nicht schwärmerisch an, sondern mit höchster Konzentration und zweckdienlicher Sachlichkeit und gibt den in der Seele schlummernden Energien die ihnen gemäße Form und Aussage, strukturiert die Potenzen des Wasserelements wie die Kälte, die Schnee und Eiskristalle zaubert. Hierdurch macht er Verborgenes sichtbar und greifbar, wobei er sich nicht von der magischen Ästhetik faszinieren lässt (wie z.B. die Waage), sondern einen kühlen Kopf behält, Gesetzmäßigkeiten und Funktionen erkennt und diese geschickt und ausdauernd dazu verwendet, Verwirklichung zu erreichen.

Führt der Weg des Mondes zu Glauben, Vertrauen und Rückbindung (Wiedergeburt, Religion), so endet das saturnale Weltbild in Absonderung, Lösung von Haftungen und dem Bewusstsein karmischer Selbstbestimmung (Konsequenz der Erkenntnis - letztlich Befreiung von Wiedergeburt).

In dieser symbolhaften Darstellung von Ziegenfisch-Saturn wird das Wesen des Krebs-Archetyps in seiner saturnalen Durchdringung erleuchtet. Indem Saturn mit einem Schlangenbogen (Kopf der Hydra) auf dem Krebs Geige spielt, weist er auf die Vergänglichkeit von Gefühlen und Stimmungen hin. Der ihn begleitende schwarze Adler oder Garuda umschreibt die geistige Potenz des Saturn, die auf Befreiung von seelischen Verhaftungen ausgerichtet ist.
Bild aus " Aurora Consurgens", Zentralbibliothek Zürich

Im asiatischen Weltbild, speziell im Buddhismus, findet Saturn seine höchste Ausprägung und Ehrung - im westlichen Materialismus seine niedrigste Umsetzungsstufe. Wäre Buddha Shakyamunis Karmagramm bekannt, würde man dort mit Sicherheit eine starke Saturnstellung vorfinden. Buddhas Philosophie strahlt in allen Prämissen und Ableitungen saturnale Weisheit aus: in der Tendenz zu Verzicht und Askese; in der Entwicklung sachlicher, nachprüfbarer denkerischer Verarbeitung des Seins; in der Einsicht »Leben ist Leid« und vor allen Dingen in einer geistigen Durchdringung der Ursache-und-Wirkung-Gesetzmäßigkeiten oder, wie es der Lieblingsslogan des Dalai Lama umschreibt: »Alles entsteht in Abhängigkeit« (dependent arising). »Und so verkünde ich: In diesem Körper, der mit Denken und Unterscheidungsvermögen ausgestattet ist, ist die Welt und die Entstehung der Welt und die Aufhebung der Welt und der Pfad zur Aufhebung der Welt.« (Buddha Shakyamuni). Es ist klar, dass eine derartig desillusionierende Interpretation im jupiterorientierten Westen auf Ablehnung und Widerstand stößt und als pessimistisch, lebensfeindlich und gefühlsarm gedeutet wird. In Wirklichkeit ist Saturn und dessen Manifestation durch die buddhistische Philosophie weder negativ noch positiv, weder pessimistisch noch optimistisch, sondern lässt sich als ein Weg der Mitte umschreiben. Das Sein wird zwar durch analytische Ableitungen als Zauber, Illusion oder Einbildung erkannt, aber deshalb nicht negativ gewichtet. Saturnale Klarschau führt viel eher dahin, dass, so wie das Yin anlagemäßig im Yang enthalten ist, sich auch in der Wirklichkeit die Leere finden lässt bzw. Leere und Wirklichkeit die Kehrseiten derselben Medaille sind. Obwohl diese Aussage paradox klingt, ist sie doch Ausdruck höchster Logik und entspringt der janushaften Doppelköpfigkeit des mythologischen Chronos-Saturn.

Saturn (vorne rechts) als Sublimator der geistigen Jupiter-Energien (König mit Adler) und der harmonisierenden Venus-Energien (Königin mit Schwan).

Wie ist es nun möglich, zu den lichten Erkenntnisgipfeln des Saturn vorzudringen? Indem wir ganz einfach seinen Charakter imitieren, oder besser noch, indem wir uns mit seiner Schwingung, seinem Temperament, seinem Wesen von innen her identifizieren, um uns dadurch im positiven Sinne einer Energie zu öffnen, die, verglichen mit Merkur- oder Venus-Themen, in uns ein recht stiefmütterliches Dasein führt. Ohne die Früchte unseres Bemühens schon klar vor Augen zu haben, müssen wir hierbei in den sauren Apfel beißen und den Mut aufbringen, Selbstdisziplin, Ausdauer, Konsequenzbereitschaft und Geduld zu riskieren, und in Kauf nehmen, dass unsere zartesten Träume, Hoffnungen, Wünsche und verdrängten Komplexe, Zielvorstellungen und Weltbilder aufgedeckt und somit desillusioniert werden.

Wir müssen also »angenehme« Selbsttäuschungen aufgeben, uns von der Faszination der Gefühle lösen, aus Befangenheiten befreien und uns vorsichtig an die zunächst bitter, später aber als befreiend erfahrbare Helligkeit des kristallinen Bewusstseins gewöhnen. Hierzu müssen wir erst einmal Abstand nehmen, uns zeitweise von der Welt isolieren, um somit auch rein äußerlich eine Umgebung zu schaffen, in der saturnale Energien zur Entfaltung gelangen können. Dies ist keine Weltflucht, sondern beruht auf Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Alle großen Erkenntnisse, Philosophien, Religionen usw. sind durch Menschen initiiert worden, die ihre Einsichten und ihre Kraft aus den Phasen des Rückzugs und der Weitabgewandtheit gezogen und somit den Saturn-Ziegenfisch-Archetyp akzeptiert haben. »Sie haben sich selbst mit der Einsamkeit, mit dem grundlegenden psychologischen Alleinsein verheiratet. Sie brauchen keine ablenkende Unterhaltung für den Körper oder die Seele. Das All-Ein-Sein wird zu ihrem Begleiter, zu ihrer spirituellen Gefährtin, zum Teil ihres Wesens. Wo immer sie auch gehen, sind sie allein; was immer sie auch tun, sie sind allein. Ob sie sich gesellschaftlich mit Freunden in Verbindung setzen oder alleine meditieren - das Alleinsein ist die ganze Zeit über da. Jenes Alleinsein bedeutet Freisein, fundamentale Freiheit.« (Tschögyam Trungpa) Die befreienden Einsichten und Resultate von Kontemplation, Konzentration oder Meditation können nun, nach dem Rückzug, ihre Bewährung und Umsetzung finden und sozial wirksam werden. Auch im alltäglichen Bereich sind wir in der Lage, den Saturn-Ziegenfisch-Archetyp an uns zu beobachten: z.B. wenn wir uns einen Augenblick zum Nachdenken zurückziehen und damit Abstand und Klärung gewinnen (ähnliches passiert, wenn wir einen Spaziergang oder eine Wanderung machen).

Um die saturnale Energie sinnvoll in unser Leben zu integrieren, ist es also wichtig, den Zustand zeitweiser Isolation als positive Möglichkeit des Erkenntnisgewinns zu nutzen, das Dasein aus der Perspektive des Todes, der Vergänglichkeit zu betrachten, feinere Wirklichkeiten kritisch zu gewichten, Ursachen von Leidzuständen zu analysieren, Konzentrationsgabe und Selbstverantwortung zu entwickeln. In diesem Zusammenhang ist auch eine Beschäftigung mit dem buddhistischen Weltbild sinnvoll. Wenn wir unserem inneren Saturn auf diese Art und Weise mehr Gehör schenken, hört er auf, unser Widersacher und Feind zu sein. Er verliert seine Teufelsfratze, verwandelt sich in einen strahlenden Diamanten und leuchtet uns als strenger, aber kostbarer Lehrer den Weg zur Selbstverwirklichung.

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Hans Hinrich Taeger:
Astro-Energetik

Hans Hinrich Taegers Buch "Astro-Energetik", erstmals erschienen im Jahr 1982, unternimmt den Versuch, die Bereiche altehrwürdiger Astrologie und des traditionellen buddhistischen Weltbildes unter der neuen Bezeichnung »spirituelle Astro-Energetik« zusammenzuführen.

Hans Hinrich Taeger starb im Jahr 2013, und seine Werke drohten in Vergessenheit zu verschwinden. Thomas Siegfried, sein langjähriger Lebensgefährte und Erbe, hat Astrodienst im Jahr 2017 die Rechte zur Online-Publikation von Taegers Bücher erteilt. Wir haben den Inhalt der zweiten Ausgabe nun für diese Online-Ausgabe aufbereitet und freuen uns, dieses aussergewöhnliche Buch hier der astrologischen Community zur Verfügung stellen zu können.