Bis zum Jahre 1930 blieb der Planet Pluto den Fernrohren der Wissenschaft verborgen. Mit einer Umlaufzeit von 248 Jahren, einer Temperatur von minus 230° Celsius und einer exzentrischen Planetenbahnellipse führt er bereits rein astronomisch ein recht sonderbares Leben. Seine Entdeckung fiel sicherlich nicht zufällig in die zeitliche Nähe des Beginns der Atomforschung, des Wassermannzeitalters und des zweiten Weltkrieges. Pluto, auch Hades, Aides, Dis oder Orkus genannt, wird in der Mythologie als Gott der Toten, Höllenfürst - aber auch als Fruchtbarkeitsgott und Reichtumsspender - verehrt. Er ist ein Sohn von Saturn und Mond sowie ein Bruder von Zeus und Neptun.
Er gilt als einer der undurchsichtigsten und geheimnisvollsten Planetengötter. Sein Reich der Schattenwelt wird von dem dreiköpfigen Höllenhund Cerberus bewacht, und man sagt ihm nach, dass er über eine unsichtbar machende Tarnkappe verfügt, da alle sterblichen Wesen, die ihn ohne diese Kappe sähen, vor Schreck zu Stein erstarren würden. Obwohl er durchaus furchteinflößend wirken kann, zeigt er sich den Menschen gegenüber auch hilfreich und großzügig, was ihm den Namen »der unterirdische Zeus« oder »Eubulos« (der Wohlratende) eingebracht hat. In der astroenergetischen Deutung werden ihm die okkulten und suggestiven Energien zugeschrieben. Er aktiviert die archaischen, unbewussten Triebkräfte, die den Menschen zwingend zur seelischen Höherentwicklung und Geistwerdung drängen.
Im exoterischen Bereich kann er zu Macht, Reichtum und Einflussnahme verhelfen. Auf der körperlichen Ebene bewirkt er die Regenerationsfähigkeit der Zellbildung, kann aber auch Missbildung, Unfälle oder Verkrüppelungen hervorrufen. Seine »positive« respektive »negative« Wirkung hängt vollständig von dem individuellen Bewusstseinsstand und der inneren Bereitwilligkeit zur Geistvollendung ab. Die einseitig negativen Darstellungen der Pluto-Kräfte in der astrologischen Literatur spiegeln nichts anderes als den engen Horizont der Autoren wider bzw. deren Angst vor ihren eigenen unerlösten Tiefendimensionen. So wie die Mars-Widder-Energien im exoterischen Bereich zerstörend und in diesem Sinne aufbauend wirken, verursacht Pluto im innerseelischen Bereich eine ständige seelische Mutation von Sterben und Wiedergeburt, d.h., er intensiviert täglich aufs neue die dunklen Gefühlsteile und fordert hiermit die Bewusstseinskräfte auf, jene Energien zu verarbeiten und sie dadurch zu entschärfen bzw. abzutöten. Mit anderen Worten: Er drängt zur positiven Karmaverwirklichung und arbeitet somit Hand in Hand mit seinem Bruder, dem Göttervater Zeus-Jupiter, wobei sich wiederum der Leitsatz des Skorpion-Mysteriums »Wie oben, so unten« bewahrheitet.
Über die individuelle Bedeutung des Pluto (= geistigseelische Transformation) hinaus hat dieser Planet wegen seiner langsamen Wanderung im Zodiak auch starken Einfluss auf kollektives Geschehen (z.B. politische Reformen, Zeitgeistneuerungen, Naturkatastrophen, neue Wissenschaftserkenntnisse, Wandlungen in Kunst und Technik etc.).

Der Bodhisattva Vajrapani verkörpert im Tantra das höchste Bewusstsein des Wasserelements, wobei er sexuelle Energie und Hass in geistige Entschiedenheit, Illusionsbewusstsein und magische Potenz transformiert. In astro-energetischer Analogie kann er gleichermaßen der Pluto- als auch der Jupiterqualität zugeordnet werden.
Von entscheidender Wichtigkeit für den Einzelnen sind die Transitbestrahlungen, die der jeweils aktuelle Pluto-Stand auf die Planeten des Geburtsbildes in Form von Konjunktionen, Oppositionen, Quadraten, Trigonen etc. ausübt. Sie signalisieren meist die einschneidendsten Persönlichkeitstransformationen, karmischen Entscheidungen und Initiationen, denen wir im Laufe unseres Lebens ausgesetzt sind, und stellen im Vergleich zur Tragweite anderer Planetentransite (etwa von Saturn, Uranus oder Neptun) alles in den Schatten. Dies ist daher zu erklären, dass Pluto in der Tierkreisachse Stier-Skorpion der planetare »Kontrahent« der Erde (Stier) ist, was uns Erdbewohner besonders empfindlich für seine Bestrahlungen macht. Betrachten wir hierbei unser irdisches Sein einmal unter der Perspektive eines leidvollen Zustandes (etwa in der Interpretation der meisten Weltreligionen), möchten uns Pluto-Transite in all ihrer energetischen Brisanz dazu verhelfen, unser erdbezogenes Karma schneller und entschiedener zu verwirklichen, uns von irdischen Haftungen und Verstrickungen zu befreien. Hierbei entwickelt er die Strenge und Radikalität eines im Grunde seines Herzens freundlich gesinnten Zen-Meisters, nur dass wir all das Positive und Hilfreiche dieser Wandlungsmöglichkeiten immer erst im nachhinein erkennen. In seiner aktuellen Wirkung hält uns Pluto einen unerbittlichen Spiegel all unserer verdrängten und in der Tiefe unserer Seele unerlöst vor sich hin schwelenden Probleme, unterdrückten Wünsche und insgeheim gewonnenen, aber nicht ausgelebten Weisheiten entgegen und drängt uns schmerzlich zu erkenntnisrelevanten Entscheidungen, die unser Tiefenselbst schon lange getroffen hat, die von unserem Bewusstsein jedoch nicht akzeptiert wurden. Gleich einem inneren Vulkanausbruch schleudert er uns all den unverarbeiteten Ballast, alle ganz tief als richtig erkannten Einsichten, all unser magisches Erkenntnispotential in die »lichten« Höhen unseres persönlichen Selbst und zwingt uns durch Leidensdruck, dem Falschspiel unseres trägen und bequemen Bewusstseins ein Ende zu setzen und Ent-Scheidungen zu treffen, die im Einklang mit unserem archaischen Selbst stehen. Hierbei lässt er keine Kompromisse zu und peinigt das sich ihm mit tausend Ausreden entziehen wollende Ego so lange, bis es sich endlich den höheren resp. tieferen Erkenntnissen stellt, um ein lange überfälliges karmisches Großreinemachen in die Wege zu leiten. Dieser Prozess ist um so unangenehmer, desto stärker sich das Bewusstsein des Einzelnen gegenüber den Energien des Tiefenselbst verkrustet und abgesondert hat, zu einem ängstlich bewachten Ghetto von Konventionen, Höflichkeitsformen, Selbstbetrug, Dumpfheit und Schönfärberei geworden ist, nur noch mechanisch funktioniert und sich verhält wie ein materialistischen Sicherheitsängsten verschriebener Polizeistaat.
Pluto fordert den ehrlichen und ganzen Menschen in all
seiner direkten, spontanen und paradoxen Weisheit. Er hält wenig von Diplomatie
und Rücksichtnahme, verbirgt jedoch hinter seiner rauhen Fassade ein
außerordentlich hilfsbereites und selbstaufopferndes Wesen. Vor allem wenn
seine unergründlichen Röntgenaugen echtes Bemühen oder echte Notlagen
erkennen. Er ist auf tiefere Art und Weise ein gerechter und weiser
Menschenfreund als der eher selbstgerechte und leicht zu blendende Göttervater
Jupiter-Zeus, sein sog. »himmlischer« Counterpart. Wohl dem, der seine
Pluto-Transite als Heilkrisen betrachtet, Medizin aus der Schatzkammer der
eigenen Unterwelt, Transformationsschübe zu einer höheren Form des Menschseins, Eigeninitiationen und Anschluss an den
freien Strom der Kundalini und ihrer archaischen Weisheit. Und sei es auf
Kosten viel zu enger und viel zu früher Harmonievorstellungen. Zu einem
umfassenden Bild von Ganzheit gehört nicht nur das fälschlicherweise der Waage
angedichtete Regenbogenparadies märchenhafter Verklärtheit, sondern ganz
entschieden und basishaftig auch das magische Dunkel plutonischer Dimensionen.
Anmerkung: Dem Meditierenden (vor allem tantrischer Methoden) kann gar nicht genug empfohlen werden, sich in Zeiten von Pluto-Transiten (Orbiswirkung plus/minus 5 Grad) besonders intensiv mit meditativen Praktiken zu beschäftigen. Durch die Pluto-spezifische Aktivierung des Kundalini- und Chakrensystems und den damit verbundenen erleichterten Zugang zu den Archetypen- und Energiemanifestationen des Tiefenselbst sind Realisationen ganz erheblich erleichtert (dies gilt gleichermaßen für Lichtkörper-, Licht-, Klang-, Mandala-, Traumyoga- wie Leereübungen). Analog der spezifischen Energie, die durch Pluto angeregt wird (z.B. Transite auf Sonne, Mond, Venus, Merkur etc.), ist es für buddhistisch Orientierte natürlich sinnvoll, entsprechende Meditationen über Amitayus (Sonne), Weiße Tara (Mond), Grüne Tara (Venus), Manjushri (Merkur) etc. oder deren elementare Chakren-Entsprechungen (Feuer-Kehlchakra, Äther-Scheitelchakra, Luft-Wurzel- oder Stirnchakra, Wasser-Sexual- oder Herzchakra etc.) anzugehen. Dem an Traumarbeit Interessierten wird sich im engeren Umfeld von Pluto-Transiten (Orbis plus/minus 2 Grad) die Möglichkeit bieten, besonders tiefe Schlüsselträume zu analysieren oder sich gar durch Traumyoga direkt am Traumgeschehen zu beteiligen. Weniger geeignet bzw. vorsichtiger zu behandeln sind Pluto-Transite auf den Planeten Mars (Gefahr unkontrollierbarer und aggressiver Energieschübe).


Hans Hinrich Taegers Buch "Astro-Energetik", erstmals erschienen im Jahr 1982, unternimmt den Versuch, die Bereiche altehrwürdiger
Astrologie und des traditionellen buddhistischen Weltbildes unter der neuen Bezeichnung »spirituelle Astro-Energetik« zusammenzuführen.