Hans Hinrich Taeger: Astro-Energetik

KREBS

©Astrodienst AG 2018

Könnten wir weisen den Weg, es wäre kein ewiger Weg.
Könnten wir nennen den Namen, es wäre kein ewiger Name.
Was ohne Namen, ist Anfang von Himmel und Erde;
was Namen hat, ist Mutter der zehntausend Wesen.
Lao-tse, 1. Kap. Tao-Te-King

Der Krebs als kardinale und somit stärkste Energieform des Wasserelements umschreibt in seiner Thematik so komplexe Bereiche wie: Seele, Ursprung, Mythos, Weiblichkeit, Unendlichkeit, Magie, Illusion, Tod und Geburt, Natur, Gefühle und Instinkte, Wesen der Mütterlichkeit oder Initiation. Die Krebsenergie rührt Fragen nach dem Ursprung auf: Wo komme ich her? Was ist mein Urgrund? Warum bin ich geboren? Warum muss ich sterben? Ist Wirklichkeit Traum und Einbildung? Fühle ich mich im Mutterschoß des Daseins geborgen oder eingeengt? Werde ich gelebt oder bestimme ich das Leben? Lohnt es sich festzuhalten oder ist alles im Fluss?

Der Krebs konfrontiert uns im weitesten Sinne mit der Vergangenheit, den Dimensionen der Unendlichkeit, der Entstehung des Universums und, damit verbunden, des Lebens überhaupt. Durch seine Tendenz zur Verschleierung, symbolhaften Verbildlichung, gefühlsmäßigen Irritation, Verzauberung oder Erlebnistiefe und doppelbödigen »Moral« entzieht er sich immer wieder aufs neue den Zugriffen des zweidimensionalen Denkens. Sein Naturell lässt sich nur durch Hingabe, Erlebnisse oder Eigeninitiationen (Traum, Meditation, Psychedelik) ergründen. Um sich durch ihn beeindrucken zu lassen, bedarf es eines reduzierten Egos und einer magischen Erlebnisbereitschaft, wie wir sie bei den sogenannten primitiven Kulturen und archaischen Religionen vorfinden, die auch heute noch auf unserer Welt existieren. Denn die Sprache von Krebs und Mond ist im wahrsten Sinne des Wortes primitiv, d.h. ursprünglich, überindividuell, vom Ego unbeeinflussbar und zeitlos.

In das Wasserelement des Krebses eintauchen heißt nach den letzten Lebensgeheimnissen suchen, den Bildekräften der Maja auf die Schliche kommen. Da wir alles Sein auf dieses Element zurückführen können, müssen in ihm alle Widersprüchlichkeiten in paradoxer Gleichzeitigkeit enthalten sein. »Das Geheimnis der Maja ist die Wesensgleichheit des Entgegengesetzten. Maja ist eine gleichzeitige und in der Gleichzeitigkeit aufeinanderfolgende Offenbarung von Energien, die miteinander uneinig sind, Vorgängen, die sich widersprechen und gegenseitig aufheben: Schöpfung und Zerstörung, Entwicklung und Auflösung, das Traumidyll der inwendigen Schau des Gottes und die öde Null, der Schrecken der Leere, das furchtbare Unendliche. Maja ist der ganze Kreislauf des Jahres, der alles hervorbringt und alles wieder fortnimmt« (Heinrich Zimmer).

In der griechischen Mythologie wird diese gebärende und verschlingende Urenergie mit der in den Sümpfen hausenden hundertköpfigen Hydra umschrieben, die Herakles vernichten wollte. Doch aus jedem Schlangenkopf, den er ihr abschlug, wuchsen zwei neue Köpfe nach (der Krebs steht für die natürliche Regenerationsfähigkeit). Als Herakles jedoch begann, die Köpfe mit glühendem Holz auszubrennen, schien er Erfolg zu haben, und die Mondgöttin Hera eilte der Hydra zu Hilfe, indem sie einen riesigen Krebs schickte, der Herakles von hinten angriff. Nachdem Herakles ihn mit einem kräftigen Tritt getötet hatte, wurde der Krebs als Sternbild an den Himmel gesetzt. Herakles vollendete sein Werk. Nur den mittleren Schlangenkopf, der als unsterblich galt, vergrub er tief in der Erde und rollte einen Felsen darüber. Die sterblichen Köpfe der Hydra symbolisieren die positiven, aber auch destruktiven Gefühle, Instinkte und Leidenschaften, die subtilen Wünsche nach Ausweitung, Wachstum, Machtentfaltung, Gier und persönlicher Einflussnahme, die durch Erkenntnis (Feuer) besiegbar sind. Der unsterbliche Kopf der Hydra umschreibt die göttliche Schöpfungsenergie, den Kundalini-Archetyp, die zeitlosen magischen Gesetze, den allesdurchwirkenden Zauber, der uns die Wirklichkeit träumen lässt.

Treten Menschen oder - global gesehen - Kulturen in Kontakt mit der Archaik der Seele und ihren Energiebildern, sind Reaktion und Verarbeitung ganz von der Vorentwicklung des Bewusstseins abhängig:

  1. die Bilder sind so stark, dass Psychosen und Schizophrenien auftauchen können
  2. man kann die Manifestationen der Seele als Halluzinationen oder gedankliche Fehlleistungen einordnen (Skepsis, Widerstände der Ratio, Verdrängung)
  3. man geht im psychologischen und psychoanalytischen Sinne auf sie ein (Betrachtung der Seele als Außenstehender)
  4. man möchte sich deren Kraft einverleiben, um a) magische Stärke oder b) Wissen und Weisheit hieraus zu ziehen
  5. man betrachtet die magische Projektion als eine vom eigenen Selbst getrennte Energie, die man kultisch und rituell verehrt (magische Religiosität)
  6. man identifiziert sich mit der Projektion und vollzieht destruktive oder heilende Handlungen (Schwarze oder Weiße Magie)
  7. man lässt die magische Projektion - ohne auf sie einzugehen, aber auch ohne sie abzulehnen - wie einen unwirklichen Traum an sich vorüberziehen (Erkennen des Illusionscharakters, Vorgehensweise des Mystikers) oder
  8. man verschmilzt mit der Projektion, deren Relativität man kennt, und erfährt diesen Zustand als Eigeninitiation oder Erleuchtungsstufe (Tantra). Der Zusammenhang von Wasser und Initiationen spiegelt sich z.B. in der Taufe, rituellen Waschungen oder dem kultischen Besprengen mit Wasser, also immer dann, wenn wir in den geheimnisvollen Bann seelischer Wirklichkeit treten.

Die Tendenz des Krebses, rückwärts in die Zeit zu gehen, um letztlich in die Zeitlosigkeit zu gelangen, führt psychologisch übersetzt und auf die Spanne eines Lebens übertragen zu Schwerpunkten wie Mutter- oder Familienbindungen und deren Problematik, zu frühkindlicher, sogar pränataler Beeinflussbarkeit und Prägung sowie zu verlangsamter Entwicklung, Konservativismus, einem geschwächten Raum-Zeit-Bewusstsein und den Wünschen nach Absonderung von den ständigen Neuerungen und Anforderungen des Zeitgeistes. Krebsbetonte Menschen sind ganz mit ihrer Vergangenheitsbewältigung beschäftigt, ziehen sich in ihren Panzer zurück, um hier ihre empfindsamen seelischen Weichteile zu kultivieren (mondhaftes Vorgehen) oder zu verarbeiten (saturnales Vorgehen). Hierzu suchen sie gerne Szenarien sogenannter »unverfälschter Natur« (Naturidylle), eine sogenannte »natürliche« Lebensweise, worunter Krebsbetonte häufig eine vegetarische Ernährung verstehen, oder die Nähe des Wassers.

Um sich noch mehr von den Zugriffen zeitlicher Evolution abzusondern, bauen sie sich eine Welt im kleinen, einen Staat im Staate (z.B. Heim und Familie) auf, die sie gleich einem magischen Schutzmantel atmosphärisch aufladen. Der Krebs benötigt dieses suggestiv entstandene Kraftfeld zur Spiegelung seines Selbst, zur Inspiration, zur Entwicklung seiner Träume und Fantasien, zum Erfahren von Reaktionen auf seine Wirkung, zur Vermittlung des Gefühls mütterlichen Schutzes. In seiner Intention, Sicherheit zu verbreiten, steht der Krebs dem Ziegenfisch in nichts nach, nur dass seine Form von Sicherheit auf Vertrauen in eine irrationale Welt von Schwingungen aufbaut, während die Sicherheit des Ziegenfischs auf klaren, allgemein nachvollziehbaren, rationalen Erkenntniskonsequenzen basiert. Die Sicherheit des Ziegenfischs erarbeitet sich aus der Reduzierung durch Desillusionierung und umschreibt einen zunächst als schmerzvoll empfundenen Prozess eines stetigen Verlustes falscher Vorstellungsbilder, gefühlsmäßiger Einstellungen und seelischer Bindungen.

Die Sicherheit, die man durch den Krebs erfährt, ist genau gegenteiliger Natur, denn sie besitzt das Naturell einer Hydra, deren hundert Schlangenköpfe (hundert ist hier nur ein Symbol für Unendlich) die starke Tendenz zu Ausweitung, Wachstum und magischer Einflussnahme symbolisieren. Sich sicher fühlen heißt also, dass man mit einem seiner hundert Schlangenköpfe eine gefühlsmäßige Bindung zu einer Sache herstellt, sie mit Vorstellungsbildern besetzt, und das hieße dann, mittelalterlich ausgedrückt, Magie betreibt. Sicherheitsvorstellungen des Krebses beruhen also auf einer subtilen Besitznahme, der immensen Hintergrundenergie der inneren Einstellung und Einbildung. Da nun unentwegt neuartige Dinge oder Situationen in den Gesichtskreis treten, muss die Hydra ständig neue Schlangenköpfe produzieren, um der veränderten Lage in der oben beschriebenen Weise gerecht zu werden. Die Tendenz zur Bindung und somit zur karmischen Verstrickung führt - großflächiger gesehen - zur Gesetzmäßigkeit der Wiedergeburt, die in energetische Entflechtung und neuerliche Verflechtung mündet.

Der Mutterschoß symbolisiert also die Lust am Wachstum, die karmische Rückbindung, die Frucht der Einbildung, die Stärke der Illusion, die Einflussintensität und Tragweite von Magie. Betrachtet man nun das Leben, d.h. den Mutterschoß, als Leid oder Leidverursacher, als Energie, die uns nicht befreit, sondern bindet, so kann man, wie auch im Saturn-Artikel angedeutet, den Buddhismus, aber auch Christentum, Islam und andere Hochreligionen als Reaktionen oder Antworten auf den Krebs-Archetyp deuten. Um die Befreiung von den Verhaftungen dieses Archetyps symbolhaft zu demonstrieren, ranken sich mancherlei Legenden um die Geburten von Weltenlehrern. Man stellt sich vor, dass sie übernatürlich, d.h. auf wundersame Art und Weise geboren werden, wie z.B. bei Buddha, der aus der Hüfte ausgetreten, bei Christus, der jungfräulich geboren sein soll, oder beim tibetischen Guru Padmasambhava, der sich spontan in einer Lotosblüte manifestiert haben soll.

Auch die Unterdrückung der Frau in den verschiedenen Religionssystemen spiegelt sich in den saturnalen Überlegenheitsgefühlen dieser Philosophien und Glaubenseinstellungen wider. Hierbei müssen wir aber unbedingt bedenken, dass es uns die Erfahrung von Leid und Zwang überhaupt erst ermöglicht, uns von etwas befreien zu wollen. D.h., das Wasserelement - vorrangig Krebs und Mond - mit seinem illusionserzeugenden Bann gebärt aus sich selbst auch die Möglichkeit zur Eigenbefreiung, indem es zu Reaktionen herausfordert und somit Lernvorgänge der Loslösung initiiert. Diese stille und teilweise auch selbstlose Arbeit darf nicht als negativ, sondern muss als hilfreich empfunden werden. Indem uns die Frau (Mond, Krebs) auf geheimnisvolle Weise gebiert, aufzieht und bemuttert und der Mann (Saturn) für materielle Sicherheit und Entwicklung der Erkenntnis sorgt, stehen wir als Kind im Wechselspiel von Seele und Vernunft, Ausweitung und Kristallisation, Leid und Desillusionierung. In der Regel entwickeln wir uns in der Spanne zwischen Kind und Greis vom Mond weg und auf den Saturn zu, wobei wir uns am Ende einer optimalen Entwicklung nicht in unerreichbarer Mondferne bewegen, ganz im Gegenteil uns in der Wirksphäre des Krebses und des Mondes viel gelassener, d.h. angstfreier, bewegen können, da unser Kristall sich ja dadurch formt, dass wir die Schätze des Meeres heben, das Wesen des Wasserelements erkennen und damit unser innerstes und tiefstes Wesen durchsichtig machen. Letztendlich besteht auch ein Diamant »nur« aus Wasserstoff.

Der Schlangenkönig Nagaraja, in der asiatischen Mythologie Herrscher über das Wasserelement, behütet die Schätze der Weltenseele (geheimes Wissen, magische Waffen), ln der tibetischen Darstellungsweise erscheint er auf der Meeresoberfläche und hält in seinen Händen den wunscherfüllenden Edelstein, der Macht über die Illusionskräfte der Maja besitzt.

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Hans Hinrich Taeger:
Astro-Energetik

Hans Hinrich Taegers Buch "Astro-Energetik", erstmals erschienen im Jahr 1982, unternimmt den Versuch, die Bereiche altehrwürdiger Astrologie und des traditionellen buddhistischen Weltbildes unter der neuen Bezeichnung »spirituelle Astro-Energetik« zusammenzuführen.

Hans Hinrich Taeger starb im Jahr 2013, und seine Werke drohten in Vergessenheit zu verschwinden. Thomas Siegfried, sein langjähriger Lebensgefährte und Erbe, hat Astrodienst im Jahr 2017 die Rechte zur Online-Publikation von Taegers Bücher erteilt. Wir haben den Inhalt der zweiten Ausgabe nun für diese Online-Ausgabe aufbereitet und freuen uns, dieses aussergewöhnliche Buch hier der astrologischen Community zur Verfügung stellen zu können.