Die quintilischen Aspekte

von Heidi Dohmen

Immer wieder dachte ich über die grundsätzliche Bedeutung nach, die quintilische Aspekte im Horoskop insgesamt vermitteln, so wie andererseits die roten Aspekte (Konjunktion, Opposition, Quadrat) »Herausforderung«, die blauen (Trigon, Sextil) »Talente«, die grünen (Quinkunx, Halbsextil) »Kontakt, Interesse am Ungewissen, Möglichen« signalisieren. Als bereits gesichert erachtete ich, dass Quintile und Biquintile geheimnisvollen, magischen, mystischen Charakter tragen. 

Bedeutung des Quintils (72°) – Grundaspekt quintilischer Winkel – »Zeugung«

Die Grundnatur des Quintils erweist sich als »marsisch« im Sinne eines Impulsgebers, als »plutonisch« durch ihre Intensität, Leidenschaftlichkeit und unfehlbare Umgestaltungskraft.

Der skorpionische Charakter von intensiven bis überwältigenden Gefühlen zeigt sich durch das Quintil als tief sitzende, den Körper ergreifende Überzeugungen und Leidenschaften, sowie eine daraus resultierende starke bis zwingende Kraft. Ob gut oder böse, heil- oder unheilbringend hängt von der moralischen Qualität der Überzeugung und der Angemessenheit des Kraftausdrucks des betreffenden Menschen ab. 

Der Stärkegrad, die Intensität des Quintils ist mit den überwältigenden Wirkungen der Hormone auf das körperliche Geschehen des Menschen und die lebendige Natur insgesamt vergleichbar, insbesondere den Sexualhormonen. Entsprechend tritt oft der sexuelle Bezug in quintilisches Geschehen, normalerweise im Dienste der Fortpflanzung, krankhaft und verbrecherisch als Kompensation und Rache für unbewältigte Frustration wie Ablehnung, Ungerechtigkeit, Übergriff, Diskriminierung ...

Schließlich ist die Intensität des quintilischen Charakters als das leidenschaftliche Verlangen der irdischen Wesen nach Verbesserungen und neuen Möglichkeiten, als Motor der Evolution (Wassermann, Uranus) erkennbar. So war es Not und Neugier – Leidenschaft (Quintil) – von Fischen, die das Landtierreich begründete. Sie begannen ihre Schwimmflossen als Beine einzusetzen, indem sie damit an Land zu krabbeln und dieses zu ergründen begannen, wodurch im Laufe von Generationen die Flossen zu immer tauglicheren Beinen mutierten und bestimmte Fische sich zu Land-Wasser-Tieren und in der Folge zu vielen Arten von Landtieren entwickelten, mit den Primaten und schließlich den Menschen an ihrer Spitze. Bereits steht der intelligente Roboter – Supermensch – auf dem uranisch-plutonischen Programm! Und Astronomen berechnen schon, wann die Erde für den Menschen unwirtlich werden könnte und fassen ins Auge, Mars und Mensch technisch so zu bestücken, dass der Erdenmensch zum Marsmenschen werden kann. Ob Klug- oder Vermessenheit (Mars, Uranus, Pluto) des Bestrebens Hintergrund bildet, bleibt vorläufig offen. In diesem Sinne sei auf die vom Schweizer Astroforum 1996 im SAF-Lehrheft 2 dargelegte Bedeutung des Quintils hingewiesen:  

»Schöpfung/Kreativität«
Charakter: Untergründigkeit, Urmaß, Geheimnis, Kreativität.
 Die bis dahin beschriebenen Aspekte [Konjunktion, Quadrat, Trigon etc.] decken sich an mehreren Punkten des Messkreises, nicht so Quintil und Biquintil. Diese haben nur den Ausgangspunkt 0° mit allen anderen Aspekten gemeinsam. Quintil und Biquintil fallen außerhalb der Norm. Aber gerade diese Aspekte bergen den »Goldenen Schnitt«, das Ebenmaß, das in sich selbst ruht und durch sich selbst fortwährend gezeugt werden kann.
 Psychologisch: Die geheimnisvollen schöpferischen Urkräfte der Seele treten in Momenten von Lebensumgestaltungen spontan und weise auf, ohne bewusstes Zutun des Menschen. Kreativität ist nicht machbar, geschieht nach eigenen Gesetzen und bleibt Geheimnis. Quintile und Biquintile weisen auf tiefe seelische Vergangenheit, die spontan als schöpferisches Potenzial ins jetzige Leben eingreift. (Seite 22 und 26)

Quintilische Aspekte, die über das Fünfeck (5 x 72°) hinausreichen, wie Tridecile und Biquintile, übersteigen die Bedeutung des Grundaspekts Quintil insofern, als sie sichtlich über das Quintil hinaus in den streng ästhetischen und mathematisch-ästhetischen Bereich des Fünfsterns, der den Goldenen Schnitt birgt, vordringen. Der Fünfstern zeichnet gleichzeitig die Ecken eines neuen, größeren Fünfecks. Zusammen weisen die beiden sich bedingenden, wachsenden und schwindenden Figuren auf die Bedeutung des Quintils an sich hin – auf das Gestalten und Umgestalten, auf das ewige Werden und Vergehen, auf das Gleichgewicht, als tragendes Element der Schöpfung insgesamt!

Wesen und Bedeutung des Biquintils (144°) – »Überzeugung«

Im Laufe der Forschungsarbeit habe ich diverse Horoskope von Astrologinnen und Astrologen untersucht. Dabei fiel mir auf, dass in allen Horoskopen das hohe quintilische Dreieck mit zwei seitlichen Biquintilen auf der Grundlinie eines Quintils prangte, wie bei Kepler, Koch, Vehlow, Brandler-Pracht, Witte, Reinhold und Baldur Ebertin, Glahn, Rudhyar, Walter, Hamaker Zondag und Hürlimann. In einigen Horoskopen der Astrologen und Astrologinnen sind sogar mehrere der hohen quintilischen Dreiecke vertreten. 

Es war jedoch erst das eindrückliche hohe quintilische Dreieck mit der Spitze im 9. Haus im Horoskop von Papst Benedikt XVI., welches mir die Bedeutung des Biquintils – zufällig und blitzartig, ohne zu suchen oder zu denken – nahelegte. Spontan fielen mir die Worte Überzeugung und Fanatismus zu den Biquintilen ein. Das »Über« der Überzeugung kann andererseits auf unbewusste Zweifel und einen daraus entstehenden Glaubenseifer hindeuten. 

Überzeugung heißt, dass man einem Zeugnis bzw. Erzeugnis übergeordnete und überragende Bedeutung zumisst und an dessen Richtigkeit und Wahrheit glaubt, was den Gehalt des entsprechenden Zeugnisses/Erzeugnisses betrifft. Horoskopbeispiele mit dem Überzeugungsdreieck zeigen klar: Ein bestimmter Inhalt, ein »Zeugnis«, angedeutet durch das Quintil als Grundlinie und Basis des ausschließlich quintilischen Dreiecks, steigert sich größtmöglich zur Überzeugung – entsprechend den beidseitigen Biquintilen zur Spitze des hohen Dreiecks hin, mit der latenten Tendenz des Eigners, aus dieser Überzeugung heraus zu urteilen und zu agieren. 

Die Dreiecksfigur trägt mit ihrer Mittelsenkrechten zudem den Charakter der Opposition, der Gegensätze, mit der Aufforderung zur Vermittlung, was bedeutet, dass Überzeugungen generell der Vermittlung – des abwägenden Denkens, Bedenkens – bedürfen, um nicht in Fanatismus und Gewalt auszuufern. Wie aus »Überzeugungen« umgehend grausame Verbrechen resultieren, zeigt allein schon die Religions- und Glaubensgeschichte der Menschheit. Die Geschichte zeigt unreflektierte oder vorgeschobene Überzeugungen vielfach als Hintergrund von Leid, Verbrechen und Katastrophen. Das Problem liegt im »Zuviel«, im Eifern, im Fanatismus des Betreffenden, im Mangel an Objektivität, die durch das Wesen der Opposition, des »Sowohl-als-Auch«, in der quintilischen Figur eindrücklich angedeutet und damit gefordert ist. Erkenntniswille und Verantwortungsbewusstsein müssen Überzeugungen kritisch überprüfen, um gegebenenfalls zu Einsicht und Toleranz zu führen. Zeugnisse sprechen aus sich selbst, bedürfen keines Eiferns. Eifern ist stets verdächtig. 

Weitergehend scheint mir wahrscheinlich, dass das Biquintil als gelebte Überzeugung zur Sublimation tendiert (= etwas auf eine höhere Ebene heben, ins Erhabene steigern, verfeinern, veredeln, in eine kulturelle oder künstlerische Leistung umwandeln, sich dabei höheren moralischen Anforderungen stellen). Alle drei untersuchten Päpste haben Biquintile in ihren Horoskopen, Papst Franziskus mit insgesamt vier Biquintilen am meisten. Ich schätze ihn als am stärksten zu Menschlichkeit und kulturellen Leistungen fähig und bereit, die über das bloße Glaubensbekenntnis hinaus tendieren.

Die Päpste weisen »als Überzeugte« mit der Spitze ihrer quintilischen Figuren auf den Gesellschaftsquadranten, auf das gesellschaftliche Leben, das durch das Teilen ihrer Überzeugung, den Katholizismus betreffend, geregelt werden soll. Speziell augenfällig auch in den Horoskopen von Johannes Paul II. und Franziskus, beide mit der Spitze der Figur im 8. Haus – hinweisend u. a. auf die Überzeugung das Zölibat betreffend. Das Horoskop von Mahatma Gandhi, Politiker und Unabhängigkeitskämpfer, zeigt das Überzeugungsdreieck mit der Spitze im 8. Haus ebenfalls. Er wurde von einem Hindu-Fanatiker erschossen. Eifern und Kritik im politischen Umfeld sind gefährlich.

Das Horoskop von Wernher von Braun macht mit sämtlichen vertretenen quintilischen Aspekten ebenfalls eindrücklich Figur. Mit dabei sind zwei hohe »Überzeugungsdreiecke«. Braun war bereits als Jugendlicher überzeugt, später zu den Sternen zu reisen. 

Als »aus Überzeugung Handelnde«, gekennzeichnet durch Biquintile in ihren Horoskopen sind weiter Machthaber wie Josef Stalin, Saddam Hussein, Adolf Hitler, Wladimir Putin und Donald Trump. Dabei handelt es sich um Regenten, um Überzeugte, die unbedingte Übernahme ihrer Regeln und sogar Unterwerfung fordern, was ihre Meinungen und Taten anbelangt. 

Donald Trump beispielsweise baut sein Überzeugungsdreieck auf dem Quintil Uranus in Zwillinge zum Aszendenten hin auf (der AC ist wohl eher noch in Löwe anzusiedeln, nach Trumps Gebaren und der betont wichtigen Zuckerwatte-Mähne zu schließen, wobei »Löwe« auch »Möchtegern-Aszendent« sein könnte). Die Spitze des quintilischen Dreiecks bildet Pholus in Steinbock im 5. Haus des Selbstbewusstseins. Trump sieht sich – entsprechend seinem stark besetzten vierten Quadranten – als Global-Player – der sich jedoch nicht an Regeln, die ihm nicht passen, halten muss. 

Dieser üble Nachdruck entsteht leicht durch den Umgang mit dem Quintil an der Basis des Dreiecks, dem mars-plutonischen Grundaspekt der quintilischen Aspekte. Der hinter seinen Biquintilen und dem hohen Überzeugungsdreieck stehende Mensch bestimmt letztlich mit seiner Moral, seiner Gesamtheit ethisch-sittlicher Normen, über eine allgemeine Bedeutung hinaus über die endgültige persönliche Bedeutung der betreffenden Aspekte.

Mit Überzeugungsfiguren bestückt in ihren Horoskopen sind außerdem Denker wie Friedrich Wilhelm Nietzsche, Genies wie Sir Isaac Newton und Albert Einstein, MalerInnen, KöchInnen und schließlich jedermann mehr oder weniger. Überzeugung ist Lebenselement – heilsam und gefährlich zugleich.