Einfach prickelnd. Was denn
sonst?
Kolumne von Barbara Hutzl-Ronge
Kennen
Sie schützemässige Reiselust? Nicht das übliche "Lasst-uns-in-die-Ferien-fahren-Gefühl",
sondern diese unbändige Lust am Unterwegssein, welche die Schützen
packt? Also ich hab ihr erst kürzlich wieder in die leuchtenden Augen
geblickt. Und das kam so:
Gelegentlich fahre ich mit Freunden in ein Haus am See. Dort ist
es so sagenhaft schön, dass ich ausser schwimmen und hie und da etwas
köcheln am liebsten gar nichts tue. Da sitze ich dann im Schatten
eines Baumes, lese ein bisschen. Aber meist liegt das Buch aufgeschlagen
neben mir, und ich schaue übers Land, auf den See und freue mich über
die besser werdenden Flugkünsten der jungen Milane, die laut rufend über
den Himmel jagen, während ihre Vogeleltern souverän im Aufwind Kreise
ziehen. Kurzum, ich und meine Fischevenus in mir geniessen dort jede
Minute und es ist mir schlicht unverständlich, dass jemand dort auch
nur einen Tag weniger verbringt als möglich. Ein Schütze hingegen
sieht dies ganz anders.
Mein Schützefreund Oliver fährt mit seiner Familie jedes Jahr für
drei Wochen in das Haus am See. Wann sie wirklich kommen, weiss man
allerdings nie so genau. Denn es ist gut möglich, dass Oliver einen
Tag vor der geplanten Abreise seine vier Buben fragt, ob sie nicht
Lust hätten, ins Eurodisneyland zu fahren. Suzanne, die Mutter der
Jungs, packt unverdrossen die Reistaschen um, organisiert Betreuung
für Hund und Katzen, und sie zischen los - gen Westen. Ans Haus am
See - im Osten - kommen sie dann halt vier Tage später, als ursprünglich
angekündigt. Dazwischen laden sie zu Hause noch die Tiere ein, packen
sechs Velos auf Dach und hängen zwei kleine Segelboote hinten ans
Auto. Sie reisen zweimotorig an, denn der Camper muss auch noch mit.
Dann sind sie da und es wird ganz lebendig und laut im Haus, auf
der Wiese und im See. Ich bewundere Suzanne, wie sie ihre grosse
Familie managt. Wäre ich die Mutter der vier, dann würde ich, sobald
alle "Jungs" - der grosse und die "kleinen" - auf dem See sind (segelnd,
rudernd, schwimmend, surfend, als Piraten einander enternd), mich
schnell unter den Baum legen und - siehe oben - die Ruhe geniessen.
Von dem Ort brächten mich in den nächsten drei Wochen keine zehn
Pferde weg. Oliver hält es hingegen dort nicht länger als drei Tage
aus. Dann bekommt er Lust fortzufahren. An einen See zum Beispiel.
Begeistert zeigt Oliver mir den Camper. Der sieht sehr nach "Marke
Eigenbau" aus. Vor Jahren hat ihn Oliver von einem Bastler erstanden.
Vorne prangt ein amerikanisches Nummernschild (von der letzten Reise
jenseits des Teichs), daneben ganz dezent die hier übliche Beschilderung.
Drinnen gibt’s eine Schlafkoje für Suzanne und ihn, eine für die
Jungs, zwei Sitzplätze zum Umklappen, eine winzige
Küche, Dusche und WC.
Inzwischen hat Suzanne gepackt, die Jungs
trudeln mit ihren Habseligkeiten ein. Die Katzen - und wir - werden
das Haus hüten. Mit besorgtem Blick sitzt der Hund da und schaut
Suzanne tief in die Augen. "Du darfst doch mit, Gipsy!" (Ja, der
Hund heisst Gipsy. Wie denn sonst?) Mit flatternden Ohren rennt er
zum Camper und springt rein. Oliver startet den Motor, Suzanne nimmt
die Bremsklötze weg und los geht’s.
Von einem See zum nächsten, zu sechst in einem Camper! Und der ganze
Aufwand für ein, zwei Übernachtungen! Ob es an dem anderen See genauso
schön ist wie hier, ist für Oliver gar nicht entscheidend. Ferien,
wie sie sich Schütze-Geborene erträumen, sind anders: Nicht das Ziel
ist ihnen wichtig, sondern sie lieben das Gefühl, zu einem Ziel hin
unterwegs zu sein. Sobald sie angekommen sind und wissen, wie es
vor Ort läuft, werden sie wieder unruhig, und halten Ausschau nach
dem nächsten Abenteuer.
Oliver strahlt übers ganze Gesicht, während er konzentriert den Camper rückwärts
das schmale Strässlein hinauffährt. Ich habe selten so glänzende
Augen gesehen, wie die seinen, wenn er endlich wieder alle Lieben
beisammen hat, um mit ihnen auf Fahrt zu gehen. Nein stimmt nicht.
Die Augen meiner Freundin Britta glitzern auch ganz selig, wenn sie
im Juli die Flüge für Dezember nach Fidji checkt. Sie hat einen Schützemond
im Horoskop. Reisen ist daher bei ihr ein Grundbedürfnis, sie braucht
es wie die Luft zum Atmen. "Du warst doch grad erst zwei Monate in
Fidji", sage ich schmunzelnd. "Ja eben" lacht sie breit "Weißt Du,
ohne zu reisen ist das Leben einfach nicht prickelnd." - Das ist
es: Prickelnd muss es sein, weniger ist für Schützen* undenkbar.
* Diese Reiselust kennen nicht nur "Schützen", d.h. jene, deren
Sonne im Zeichen des Schützen steht, sondern auch Personen, in
deren Horoskop andere Planeten im Schützen stehen.
© Barbara
Hutzl-Ronge / Astrodienst AG 08/2003 |